Sunday 15 October 2023

Latein, Noch Nicht Gestorben


Frage
Wie sterben Sprachen wie Latein?
https://de.quora.com/Wie-sterben-Sprachen-wie-Latein/answer/Hans-Georg-Lundahl-1


Hans-Georg Lundahl
Studierte Latein (Sprache) & Griechisch (Sprache) an der Universität Lund
15.X.2023 oder
20. Herrentag nach Pfingsten, hl. Teresa von Avila
Stefan Speck hat zwar recht darin daß Latein nicht gestorben ist, aber er redet von den Veränderungen der gesprochenen Sprache ohne an Veränderung oder gar Austausch der Schriftsprache zu achten.

Bis vor kurzem wurde Dhimotiki wie Katharevousa (wesentlich = Koiné) geschrieben, und Katharevousa ["Kiní"] wie Dhimotiki ausgesprochen. Dhimotiki ist nun sprachgeschichtlich ebenso eine Tochtersprache des Koiné wie Italienisch, Spanisch oder gar Französisch des Latein ist.

A B E R … bis gerade vor 1970, als Dhimotiki offiziell Staatssprache wurde, wurden Katharevousa und Dhimotiki wie zwei Schichten oder Extrem-Schichten, d h Polen des einen und selben Griechischen angesehen. Daher auch eine Menge Zwischenformen (fast Katharevousa, aber ohne Dativ … fast Dhimotiki, aber ab und zu classische Wörter wie Idhor statt Neró? Ich schwurbele über das Zweite) und eine Porosität der Wörter zwischen den Extremen.

Wieso ist nun dies NICHT der Fall zwischen z. B. Latein und Französisch?

790 in Tours, und sonstwo im Gallien-Theil des Frankenreiches, gab es jeweils nach dem Ort EINE Schreibart, lateinisch, und EINE Aussprache, die die wir heute Altfranzösisch oder Spät-Proto-Gallo-Romanisch nennen. 890 gab es dafür schon ZWEI Schreibarten, die des Chronicon sive Breviarium chronicorum de sex mundi aetatibus de Adamo usque ad annum 869 von Ado von Vienne, und die des Cantilène de sainte Eulalie, und nur die zweite hatte eine ortsvariable Aussprache, die erste eine reichsvereinigte. D h, nach Ort gab es ZWEI Aussprachen, und zwar die die wir als "Latein" bezeichnen, und die die wir als "Altfranzösisch" bezeichnen, und zwar alle beide nur an einer Schreibart gebunden.

Der Anfang dieser Veränderung war in Tours. 800 fängt Alcuin von York an dem Turonenser-Clerus die englische Latein-Aussprache beizubringen, welche die damals altertümlichste war, d h die italienische Aussprache war sicher dem classischen Latein näher als die französische, aber die englische war eine zweihundert Jahre ältere italienische Aussprache. Etwas den Buchstaben näher angebracht, durch vereinfachen einer Fremdsprache. Daher ein -um, das wie das deutsche "um" … lautete. 813 sieht mann ein, dies ist dem Volk unbegreiflich. Alte Aussprache muß sein, sonst versteht mann nix! Daher die Sermo nach dem Evangel.

800 — 813 Eine Schreibart und eine Aussprache -> eine Schreibart und zwei Aussprachen.

Die Vorbereitung der Sermo wird nun ab und zu so geschrieben geworden sein wie dieselbe Ausspracheregeln oder Schreibregeln auf die Volkssprache (nun nicht mehr als Latein angesehen) angewandt. Unser erstes bewahrtes Beispiel dafür ist die romanische Version der Straßburger Eide.

813 — 842 Eine Schreibart und zwei Aussprachen -> zwei Schreibarte und zwei Aussprachen.

U. zw. in drei Combinationen.

Latein geschrieben — Alcuinisch ausgesprochen.
Latein geschrieben — romanisch ausgesprochen.
Romanisch geschrieben — romanisch ausgesprochen.

Der letzte Schritt ist nun die Trennung, d h …

842 — 880 zwei Schreibarte und zwei Aussprachen in drei Combinationen -> nur in zweien.

Die mittlere Combination ist als überflüssig weggefallen. Damit höhrte die "griechische" (siehe oben) Situation auf 1090 Jahre vordem sie in Griechenland auf Griechisch aufhörte.

Seit 880 in Frankreich und etwa 200 Jahre später in Spanien und Italien ist also mit "Latein" eine neue Fremdsprache und nicht mehr die geschriebene Hochform der alten Muttersprache gemeint. Und dieses "künstliche Latein" lebt auch weiter. Ich bin immer noch ein lebender Latinist, zwar nur in der Schrift, aber dennoch.